Es handelte sich dabei, um eine vom Ur-Ur-Großvater des Kunden handgefertigte Pendeluhr. Schmiedemeister Zemen (geb.ca. 1850) fertigte das Kunstwerk um ca. 1890 an. Das Uhrwerk ist ein sog. „Wiener 4/4 Vollschlagwerk“ - hat 2 Schlagwerke, die alle ¼ Stunde ausgelöst werden und damit die ¼ Stunden und vollen Stunden schlagt. Angetrieben wird das Ganze über drei Federtöpfe. Uhrwerke dieser Art wurden von 1880 bis 1910 gebaut.
Außer dem Uhrwerk selbst ist alles handgefertigt (Pendel, Ziffernblatt, Zeiger und Gehäuse). Über 50 Jahre war das gute Stück verschollen. Per Zufall wurde diese bei Verwandten des Kunden in der hintersten Kellerecke vor kurzem leider in sehr desolatem und verbeultem Zustand wiederentdeckt.
Meine Aufgabe als Schlosser wäre eigentlich nur die Reparatur des Gehäuses gewesen. Der innere Trieb zur Tüftelei lies mich allerdings erst mal das Uhr- und Schlagwerk begutachten, was eigentlich von einem geeigneten Uhrmachermeister repariert und restauriert werden sollte.
Hier mein Reparaturbericht:
1. Zerlegen und Bestandaufnahme - (Arbeitszeit: 3 Std):
Die Zeiger sind nur mehr fragmentar vorhanden, 1 Schlagwerkshammer, 2 Vierkantmuttern, 1 Senkschraube und Uhrfederschlüssel fehlen. Uhrwerk und Schlagwerk klemmt, Gehäuse mehrfach eingerissen und verbogen.
2. Provisorische Montage vom Uhrwerk, nichts geht - (Arbeitszeit: 10 Std):
Anfertigen eines provisorischen Uhrfederschlüssels und aufziehen der Federn. Mit Spannung erwartete ich das erste Ticken, was jedoch aus blieb. Durch leichtes Nachschleifen am Anker und ausrichten der Zähne am Ankerrad läuft es erstmals wieder, zwar „hakig“ aber immerhin. Die Uhr läuft, bis sie am Schlagwerk „ansteht“. Nach stundenlangem Studium des Schlagwerkes (bei dem sich ja nichts rührt) kapiere ich nach und nach die Funktionen und bringe es durch ausrichten und gängig machen der Hebel und Räder nach und nach zum Laufen. Nach 5 Stunden feilen, schrauben, schleifen, biegen und ölen läuft alles wieder.
3. Probelauf - (Arbeitszeit: 3 Std):
Nachdem ich alles notdürftig gereinigt und in Nähmaschinenöl gebadet habe, fand der erster Dauerprobelauf statt: Der Anker hinkt noch etwas. Sonst ist aber alles vielversprechend, das Werk läuft 5 Tage mit 1x aufziehen.
4. Reinigung vom Uhrwerk - (Arbeitszeit: 6 Std):
Da ich das Werk nicht komplett zerlegen wollte, habe ich es nach vorherigem Sperren der Wirbelplatten und des Ankerrades mit Druckluft und Azeton so lange gewaschen und durchgeblasen bis alles rein war. Im letzten Durchgang mit einem ca. 10% Ölanteil. Es hat zwar kaum mehr Glanz als vorher, jedoch ist nun alles „technisch“ sauber und einen Hauch geölt. In den Lagerstellen sitzt noch von der „Öltränkung“ genau die richtige Dosierung.
5. Gehäuse ausrichten - (Arbeitszeit: 6 Std):
Wurde in gewöhnlicher Schlossermanier mittels eigens zugeschnittener Stangen und Hebel bzw. Sprenggabeln in seine ursprüngliche Form gebracht. Dabei bemerkte ich, dass das zylindrische Blechgehäuse relativ spröde ist und Walzaufdopplungen aufweist (damals war die Qualität der Stähle für den „Allzweckeinsatz“ eben noch nicht die von Heute). Die geschmiedeten, getriebenen, verschraubten, verlöteten und vernieteten Füße waren sicher auch einmal kompakter und somit schwer in Form zu bringen (Gummibandeffekt).Nach vorsichtiger Arbeit und Auflöten von 2 Halbschalen an den Vorderfüßen steht das Gehäuse zwar nicht perfekt - aber nahezu - und auf jeden Fall seinem Alter entsprechend würdig da.
6. Schlagwerkshammer nachmachen - (Arbeitszeit: 4 Std):
Einfache Sache auf der Drehbank + Hartlotstangerl als Stiel + Muffe, verlötet + Buchenholz als Schlägelfläche (wie beim Original), Muffe nachgefeilt und fertig. Dem Erhaltenen verpasste ich auch einen neuen Buchenholzzapfen und richtete den Stiel.
7. Ziffernblatt - (Arbeitszeit: 3 Std):
An der Blattrosette waren die Gewindezapfen ausgerissen, welche ich nachgelötet habe. Des Weiteren putzte ich die Kupferteile für Ziffernblatt und Pendel mit Sidol (für Silber und Gold)
8. Zeiger - (Arbeitszeit: 15 Std):
Nach Besuch beim Uhrmachermeister (auf alte Uhrwerke spezialisiert) war festzustellen, dass dieser wohl alte Zeiger hatte, diese aber nicht passten oder nur einer vom Paar vorhanden war. Laut Aussage gibt es auch nichts Geeignetes zu bestellen. Aber einen originalen Uhrfederschlüssel aus der Zeit konnte ich erwerben. Bei den Zeigern war Selbermachen angesagt. So schaute ich mich im Internet um, wie diese damals ausgesehen haben. Aus den erhaltenen, originalen, nur millimeterkurzen Stummeln rekonstruierte ich die neuen Zeiger der Form nach. Die Oberfläche, Blechstärke und Muffenform war ja noch erfassbar. So ging´s ans mühselige „CAD-Freiformkonstruieren“ der Zeigerform und der Muffen. Federstahlblech organisieren, Laserschneiden, Schleifen, Entgraten, Muffen drehen und feilen, Halbhartverlöten und Bläuen, nachfeilen und schon waren die Zeiger fertig.
9. Oberfläche des Gehäuses - (Arbeitszeit: 4 Std):
Insofern schwierig, da niemand - zumindest mir Bekannter – weiß, wie man das früher ohne Lack und Lackpatina gemacht hat. Also waren Versuche angesagt. Von früheren Arbeiten und Experimenten wusste ich, dass Hitze und Öl den gewünschten Erfolg bringen. Einige Versuche mit verschiedenen Vorbehandlungen, Ölen und Temperaturen brachten dann das Ergebnis einer relativ dunklen seidenmatten Oberfläche die der originalen entsprechen sollte. Am Hauptgehäuse konnte ich mit der Temperatur nicht so hoch (weil alle Blätter verlötet), deshalb ist es nicht so dunkel geworden.
10. Finale - (Arbeitszeit: 2 Std):
Zuletzt waren noch 2 Stk. 4-Kant-Muttern mit Zollgewinde Nr.12 (die natürlich nicht mehr erhältlich sind) nachzumachen, die Zähne vom Ankerrad nochmals feinstens nachgerichtet und mit eigens dafür gebastelter Feile bearbeitet mit dem Ergebnis, dass die Ankerstange auch ohne Pendel rund durchtaktet. Auch wurde noch ein Zerlegen des Schlagwerkszeitgetriebes notwendig, da sich ein Mitnehmerbolzen querlegte.
11. Zusammenbau und Freude - (Arbeitszeit: 2 Std):
Das Montieren und Einrichten der Komponenten mit Federglocken und Hämmer sowie das „Einfeilen“ des Minutenzeigers waren eher obligatorische Tätigkeiten, die ich aber mit Brennen unter den Fingernägeln auf das zu erwartende Ergebnis durchzog. Seither läuft die Uhr mit einer Gangreserve von 10 Tagen und einer Genauigkeit von 1 sec. pro Woche. Für ein 120 Jahre altes Werk durchaus respektabel. Um der Uhr meine persönliche Note zu verpassen, habe ich das Schlagwerk auf „Pongauer Dialekt“ gestellt. Das heißt es schlägt wie man bei uns spricht und wechselt den Stundenschlag schon um ¼-nach. Fast hätte ich`s vergessen. Dem Uhrwerk habe ich noch ein Dach aus gekantetem Messingblech verpasst, damit der Staub abgehalten wird. Das ist das einzige Teil, das nicht dem Originalbestand entspricht, sieht man aber kaum weil es im Gehäuse ist.
Alles in Allem wieder einmal eine völlig neue Arbeit, die ich mit Spaß an der Freude ausgeführt habe.